Wegen Stress geschlossen
Ich muss meine Umsatzsteuervoranmeldung machen. Und alle Quartal wieder, setzt mich das unter Stress. Es ist nicht einmal, dass ich das nicht inzwischen doch mal könnte. Aber ich habe eine schon irrational zu nennende Angst vor allem, was offiziell ist. Wenn ein Brief von der Bank kommt, versuche ich sofort, den zu ignorieren. Und alles was irgendwelche Behörden-Stempel trägt beschert mir unmittelbare Schweißausbrüche und macht mich praktisch handlungsunfähig – was den zu erwartenden Stress natürlich nur vervielfacht, neigen solche Schreiben leider nicht dazu, einfach zu verschwinden, wenn man sie ignoriert. Meine erste Stressreaktion ist freeze. Ich erstarre und irgendeine archaische Hirnzelle behauptet konsequent und mit schöner Regelmäßigkeit, dass schon alles gut wird, wenn ich mich nur nicht bewege.
Freeze ist eines von vier F, die jedes Säugetier drauf hat, wenn es um Stressbewältigung geht.
Fight Kampf
Flight Flucht
Freeze Einfrieren / Erstarren
Fiddle Herumalbern
Bei unseren domestizierten Tieren, also auch unseren Pferden, wurden zumindest die beiden ersten Methoden stark minimiert. Unsere hochspezialisierten Fluchttiere Pferde sind längst nicht mehr so flüchtig, wie ihre wilden Vorfahren, auch wenn wir vielleicht immer noch ein Exemplar im Stall haben, das uns ziemlich spooky erscheint.
Die Bereitschaft zu kämpfen wurde bei Hunden und Pferden, aber auch den gängigen Nutztieren ebenfalls durch Selektion weit herabgesetzt. Aber je nach Art, Rasse und Individuum präsenter oder versteckter haben auch sie noch immer die Möglichkeit, Stress durch Kampf zu begegnen, zumindest, wenn ihnen sonst keine Wahl mehr bleibt.
Aber was ist mit den anderen beiden? Das Freeze ist oft am schwierigsten zu erkennen. Pferde im Freeze erscheinen stur, widersetzlich, faul und häufig werden sie als dumm bezeichnet, weil sie offenbar kaum lernen. Sie wirken nach außen überhaupt nicht gestresst, schwitzen nicht, toben nicht, versuchen nicht einmal zu fliehen. Sie bewegen sich in milden Freeze-Zuständen zäh und widerwillig, reagieren auch nicht auf Gerte oder Sporen und wenn es gar zu schlimm wird, bewegen sie sich überhaupt nicht mehr, nehmen kein Futter mehr und lassen sich, ohne Übertreibung, eher totschlagen, als auch nur noch einen Huf zu rühren. (Sehr gern in Verladeaktionen zu beobachten) Ihre Atmung geht oft eher herab als hinauf. Innerlich sind sie nämlich zu diesem Zeitpunkt schon gestorben. Ich erlebe viele Pferde in verschiedenen Zuständen von Freeze. Es sind die introvertierten, die „lieben“, die stillen, die oft als erstes zu dieser Art der Stressbewältigung greifen. Oder sie haben bereits gelernt, dass andere Methoden zu nichts führen – außer zu noch mehr Stress.
Noch weniger bekannt ist, dass „albern werden“ ebenfalls einfach eine Strategie zur Stressbewältigung sein kann. Dabei kenne wir das doch alle von uns: Mitten im größten Stress, kriegt ein ganzes Team plötzlich die albernen 5 Minuten und es wird haltlos über die kleinste Kleinigkeit gegiggelt. Unter Eltern und Hundebesitzern ist zudem der Spruch „nach müd kommt blöd“ gängig. Aber einige Individuen haben „blödeln“ als Stressbewältigung Nummer Eins in ihrem Repertoire. Auch die Pferdebesitzer, die ihren Clown dabei so lustig und süß finden sollten überprüfen, ob ihr Pumuckl nicht einfach Stress hat in dem Moment.
Wie sieht der Stressbewältigungs-Katalog eurer Pferde aus? Und euer eigener? Nur weil eine Methode bevorzugt wird heißt das übrigens nicht, dass die anderen nicht herangezogen werden können! Also beobachtet mal sowohl euer Pferd als auch euch selbst – ganz ohne Stress, natürlich.
Ach ja, Kekse füttern (futtern), ist übrigens darum ein so probates Mittel, weil das Kauen Stress abbaut. In diesem Sinne:
Liebe Grüße und Keks
Sandra
Sandra