…und warum ich euch was zeige, was weder gut noch fertig ist.
Findet ihr den Anfang der Cavendish-Geschichte gut? Also ich nicht wirklich! Die Sätze rumpeln noch wie der Karren, auf dem Lucas seinem neuen Leben entgegenfährt. Da ist noch kein Fluss drin, die Erzähllust wackelt hinterdrein wie ein lustloser alter Hund bei einem Regenspaziergang und Lucas, hm, wird der schon lebendig für euch? Kann man auch nur erkennen, dass der Bub zu diesem Zeitpunkt erst zehn Jahre alt ist? Und ist das nicht einfach wieder so eine Art englischer Philippe?
Ich verrate euch mal, dass dies schon der vierte Anfang ist, den ich geschrieben habe? Mindestens einer davor war erzählerisch viel besser. Bloß, funktioniert der leider für die Geschichte nicht, weil historisch in der Datierung nicht haltbar. Der liebe Earl of Newcastle, William Cavendish, war nämlich um die Zeit ständig unterwegs. Mal erzog er Prinzen in Richmond, mal bekämpfte er die Schotten. Ich brauchte ihn aber daheim auf seinem Stammsitz Welbeck Abbey.
So, nun habe ich also endlich einen Beginn gefunden, er historisch funktioniert – aber der Leser braucht ein bisschen Geduld, bis mal was passiert. Gut, es wird wieder ein dickes Buch werden – wenn ich je über den Anfang hinauskomme – und da kann man sich vielleicht ein bisschen Zeit nehmen, den neuen Protagonisten einzuführen. Oder steigt ihr da schnell wieder aus?
Ein Kritikpunkt beim letzten Buch lautete, dass ihr Leser euch gleich am Anfang mit einem Haufen Personen herumschlagen musstet. Das wollte ich dieses Mal ein bisschen bequemer gestalten.
Doch das ist nicht der Punkt, warum mir der Anfang noch nicht gefällt. Ich hatte einfach noch keinen Erzählfluss. Und weil ich den nie kriege, wenn ich nicht weiterschreibe, habe ich diesen Anfang dann fürs Erste so stehengelassen. Um den kümmere ich mich später noch mal. Die Guérinière-Geschichte hatte bis kurz vor der Veröffentlichung einen anderen Prolog. Historisch hoch wertvoll, ein Muster meiner Gelehrsamkeit als Historikerin, nicht einmal langweilig, aber für das Buch, wie es letztlich dastand, völlig obsolet geworden. An seine Stelle traten dann Tante Henriette und ihr Mops Caramel. Den hatte es übrigens bereits im ursprünglichen Prolog gegeben. Er gehörte da jedoch einer intriganten Mätresse, die gerade mit ihrem Liebhaber einen Staatsstreich vergeigt hatte. Caramel sollte der Einzige sein, der sie in ihr Exil in der Normandie begleitete. Weil ich den Mops mochte, schob ich ihn bei Tante Henriette – die ich erst ein Jahr später erfand – in den Schoß und ich mag ihn nach wie vor.
Ich schreibe also über den meiner Meinung nach holprigen Beginn des neuen Buchs hinweg weiter. Mein ursprünglicher Plot ist bereits in den Papierkorb gewandert, denn wie immer, taugt er nichts. Alle meine ersten Plots taugen nichts, sind viel zu simpel, klischeehaft und ich langweile mich praktisch schon, während ich sie niederschreibe. Seit einer Woche explodieren jedoch nun die Ideen für das Cavendish-Buch und plötzlich stand Teil I grinsend vor mir und sagte „tadaa, da bin ich“. Aha, schön dich kennenzulernen, aber weißt du, dass ich jetzt schon wieder 20 Seiten rauswerfen muss? Hättest du nicht mal früher erscheinen können? Ich hatte dich für Anfang Oktober einbestellt, jetzt ist gleich November. Was ist das für eine Arbeitseinstellung? Teil I murmelt was von Stau und ging nicht schneller, dann strahlt er mich an und sagt, dass er ja nun da sei und ich mich nicht so anstellen soll.
Nur damit ihr mal wisst, mit welchen Mitarbeitern ich mich rumschlagen muss. Tödliche Reitkunst war übrigens genauso. Mal galoppierte sie voraus, dann wieder bummelte sie von rechts nach links, von Grashalm zu Grashalm, kehrte um, wollte nicht weiter, scheute an einer erzählerischen Klippe, klemmte am Schenkel, wenn es richtig kniffelig wurde, schlug Wege ein, die nicht gefragt waren, sich dann aber häufig als äußerst pittoresk entpuppten, war mal kuschelig und mal spröde…. Die trabte auch nicht einfach artig in die Tastatur und entstand Seite um Seite. Muss also an mir liegen.
Ich gehe dann mal wieder 20 Seiten löschen.